Von Carola Kreitmayr
18. Juli 2022 • 16 Min. Lesezeit
In Prognosen über die Zukunft der Logistikbranche werden häufig die Folgen der Automatisierung diskutiert. Obwohl sich dieser Prozess definitiv auf die Arbeitsweise dieser Branche auswirken wird, sollten weitere Herausforderungen genauso besprochen werden. Aus diesem Grund befasst sich dieser Artikel mit stressbedingten psychischen und physischen Gesundheitsproblemen in Logistik-Berufen.
In diesem Artikel werden wir folgendes besprechen:
Die Arbeitsplätze in der Transportbranche sind in hohem Maße vom verstärkten Einsatz von Technologie betroffen. Die Automatisierung von Prozessen wird zweifellos zu einer höheren Nachfrage nach hochqualifizierten Arbeitskräften führen, während der Bedarf an mittel- und gering qualifizierten Arbeitskräften sinkt. Insbesondere bei Verwaltungs- und Dienstleistungstätigkeiten oder bei Arbeitsplätzen im Verkehrssektor könnte der technologische Fortschritt daher zu einem Missverhältnis zwischen den nachgefragten Qualifikationen und dem tatsächlichen Arbeitsangebot führen [1].
Die Arbeitsplätze im Transportsektor sind jedoch nicht nur von den Folgen der Digitalisierung betroffen, sondern die Daten der CBS lassen darauf schließen, dass viele Arbeitnehmer in dieser Branche aufgrund ihrer Arbeit ausgelaugt sind. Die CBS hat Ende 2020 eine Studie durchgeführt, um herauszufinden, welche Jobs eine schlechte Work-Life-Balance verursachen. Von allen befragten Arbeitnehmern gaben 7,6 % an, dass sie regelmäßig ein Ungleichgewicht zwischen Arbeit und Privatem erleben. LKW-Fahrer hingegen bestätigten in 18 % der Fälle, dass sie häufig oder sehr häufig ein Ungleichgewicht zwischen Job und Privatleben verspüren. Somit berichteten LKW-Fahrer im Vergleich zum Querschnitt aller befragten Berufe 237% häufiger von einer Work-Life-Imbalance [2].
Diese Zahlen werden durch eine andere Studie zum Thema mentale Ermüdung (mental fatigue) in verschiedenen Berufen bestätigt. Im Jahr 2020 gaben 16 % aller Arbeitnehmer an, dass sie mehrmals im Monat oder häufig aufgrund ihrer Arbeit Gefühle der Erschöpfung und Ermüdung haben. Mit einem Anteil von 11 % ausgebrannter Arbeitnehmer gehörte die Transport- und Logistikbranche zu den zwölf Berufen mit dem höchsten Grad an mentaler Ermüdung, die in der gemeinsamen Studie von CBS und TNO [3] untersucht wurden.
Mit Blick auf die Zukunft werden Stress und Erschöpfung am Arbeitsplatz zu einer höheren Fluktuationsrate führen [4]. Die Sorge Arbeitssuchender, aufgrund der Automatisierung keinen Job in der Logistikindustrie zu bekommen, kann sich demnach umkehren, sodass die Unternehmen sich vielmehr Sorgen machen müssen, keine Arbeitskräfte zu finden.
In den meisten Fällen wird arbeitsbedingter Stress durch eine Kombination verschiedener Faktoren verursacht, weshalb eine vollständige Erfassung der Gründe für Arbeitnehmerstress nicht erfolgen kann. Dennoch gibt es branchenspezifische Faktoren, die häufig zu den Hauptstressoren gehören.
Eine empirische Untersuchung, die in türkischen Logistikunternehmen durchgeführt wurde, lässt vermuten, dass 20 % der Unterschiede in der Zufriedenheit der Mitarbeiter auf die empfundene Arbeitsplatzunsicherheit und den Stress zurückzuführen sind. Der Begriff Arbeitsplatzunsicherheit umreißt den Druck, der sich aus einer wahrgenommenen Diskrepanz zwischen dem gewünschten und dem tatsächlichen Niveau der Arbeitsplatzsicherheit ergibt [5]. Aufgrund der hohen Dynamik und des starken Wettbewerbs in der Logistikbranche wird es für Unternehmen immer schwieriger, ihren Mitarbeitenden ein hohes Maß an Arbeitsplatzsicherheit zu bieten. Die Ursachen für Stress können sehr vielfältig sein und umfassen unter anderem einen geringen Kompetenzumfang und Zeitdruck, der oft mit langen Arbeitszeiten und Wochenendarbeit einhergeht [6].
Der Zeitdruck wird durch die Erwartung, dass Bestellungen immer früher eintreffen, weiter erhöht. Hinzu kommt, dass viele Unternehmen nach dem Just-in-Time Prinzip arbeiten, um Kosten zu senken und die Effizienz zu steigern, wodurch LKW-Fahrer dazu gezwungen sind, sich trotz des oft unvorhersehbaren Verkehrsaufkommens an strenge Zeitpläne zu halten.
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Ein geringer Kompetenzumfang, also die tägliche Anwendung einer geringen Anzahl von Fertigkeiten im Beruf, führt an sich nicht zu Stress und mentaler Ermüdung. Die Kombination mit hohen körperlichen und geistigen Anforderungen und einer geringen Entscheidungskompetenz erhöht jedoch die psychische Belastung. All diese Faktoren haben eine gewisse Relevanz für LKW-Fahrer, weshalb angenommen werden kann, dass mit dieser Tätigkeit ein hohes Maß an psychischer Belastung verbunden ist.
Körperliche Überanstrengung kann die Beschäftigten zusätzlich belasten, was sich auch auf die geistigen Fähigkeiten auswirkt. Lange Fahrten auf dem LKW-Sitz mit wenigen Pausen, Arbeiten unter schwierigen Wetterbedingungen und in der Kälte oder auch Lärm stellen eine ständige Stressquelle dar. Darüber hinaus kann Schichtarbeit, die oft außerhalb der regulären Geschäftszeiten stattfindet, zu Schlafmangel führen – ein Phänomen, das sowohl physische als auch psychische Folgen haben kann.
Die nachstehende Infografik gibt einen Überblick über viele mögliche Faktoren, die zu arbeitsbedingtem Stress und psychischer Ermüdung in Logistikberufen führen können.
Ein Ungleichgewicht zwischen Arbeit und Privatleben kann zu einer Verschlechterung der körperlichen und geistigen Gesundheit führen. Dies beeinträchtigt nicht nur die betroffenen Personen selbst, sondern führt auch zu einer höheren Fluktuation und Fehlzeiten, was sich demotivierend auf die Kollegen und das Unternehmen im Allgemeinen auswirkt.
Darüber hinaus können mentale Ermüdung und andere Formen körperlichen und geistigen Unwohlseins Auswirkungen auf die Sicherheit haben, wie beispielsweise eine höhere Rate von Verkehrsunfällen aufgrund mangelnder Aufmerksamkeit. Die folgende Infografik zeigt die häufigsten Gesundheitsbeschwerden von Berufskraftfahrern [4].
Um die Arbeitsbedingungen und damit die physische und psychische Gesundheit von Logistikmitarbeitenden zu verbessern, müssen mehr Forschungsarbeiten durchgeführt werden, die sich mit den Herausforderungen der Arbeit in Logistikberufen befassen. Aus den vorhandenen Daten können jedoch einige Schlussfolgerungen gezogen werden. Die psychische Belastung, die aus dem Zeitdruck und dem wachsenden Tempo der Logistikprozesse resultiert, muss adressiert werden.
Alle Prozesse, an denen menschliche Arbeitskraft beteiligt ist, erfordern Ausgleichszeiten für unvorhersehbare Ereignisse, wie z. B. Verkehrsstaus. Nicht nur Unternehmen, sondern auch Verbraucher können diesen Prozess unterstützen, indem sie zum Beispiel längere Vorlaufzeiten für Lieferungen einplanen. Wo immer es möglich ist, sollten Unternehmen ihren Mitarbeitenden die Möglichkeit geben, flexible Arbeitsbedingungen zu nutzen, z. B. durch Fernarbeit oder Gleitzeit.
Wenn es den Unternehmen gelingt, ihren Beschäftigten ein höheres Maß an Arbeitsplatzsicherheit zu bieten, erhöht sich nicht nur die Arbeitsplatzzufriedenheit auf Seiten der Beschäftigten, sondern auch die Produktivität und der allgemeine Ruf des Unternehmens. Die ergonomischen Bedingungen der LKWs sollten bestmöglich konzipiert werden, um die Fahrzeiten für die LKW-Fahrer angenehmer zu gestalten.
Vor allem aber sollte die soziale Unterstützung durch Kollegen und Manager verbessert und eine offene Kommunikation gefördert werden. Dies ermöglicht es den Führungskräften, auf die Umstände und Wünsche jedes einzelnen Beschäftigten einzugehen, da die Herausforderungen und gesundheitlichen Bedenken bei jeder Person unterschiedlich sind.
[1] OECD. (2021). 2021 Economic Survey of the Netherlands. Zuletzt aufgerufen am 17.06.2022, von https://www.oecd.org/economy/surveys/Netherlands-2021-OECD-economic-survey-overview.pdf
[2] CBS. (2021). Which jobs often cause a poor work-life balance?. Zuletzt aufgerufen am 17.06.2022, von https://longreads.cbs.nl/the-netherlands-in-numbers-2021/which-jobs-often-cause-a-poor-work-life-balance/
[3] CBS. (2021). Which jobs have the highest levels of mental fatigue?. Zuletzt aufgerufen am 17.06.2022, von https://longreads.cbs.nl/the-netherlands-in-numbers-2021/which-jobs-have-the-highest-levels-of-mental-fatigue/
[4] Useche S.A., Cendales B., Montoro L. & Esteban C. (2018). Work stress and health problems of professional drivers: a hazardous formula for their safety outcomes. https://doi.org/10.7717/peerj.6249
[5] Yaşlıoğlu, M., Karagülle, A.Ö. & Baran, M. (2013). An Empirical Research on the Relationship between Job Insecurity, Job Related Stress and Job Satisfaction in Logistics Industry. Procedia – Social and Behavioral Sciences, 99 (1), 332-338.
[6] Useche S.A., Montoro L., Alonso F. & Pastor J.C. (2019). Psychosocial Work Factors, Job Stress and Strain at the Wheel: Validation of the Copenhagen Psychosocial Questionnaire (COPSOQ) in Professional Drivers. Zuletzt aufgerufen am 20.06.2022, von https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fpsyg.2019.01531/full
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